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Politische Kulturgeschichte eines Romans 37 So war die Bonner Republik der demokratisch verfasste Staat einer Gesellschaft die eine zweite Chance bekam Auf der politischnormativen Seite war der Bruch mit der NS-Ideologie glasklar vor allem im Grundgesetz Weniger klar war das in der Bevölkerung die dieser Entwicklung hinterherhinkte Es galt Millionen Nazis und Sympathisanten einzubinden im Idealfall zu läutern wenigstens ruhigzustellen und letztlich muss man es wohl so sagen abermals auf ihren Opportunismus zu setzen 129 Mit Blick auf NS-Belastungen waren die Fünfzigerjahre ein »Jahrzehnt der Integration« 130 Zweifellos hatte das Ausmaß dieser Integration bittere bis brutale Aspekte und die Bonner Republik deswegen ein Legitimitätsproblem auch im Systemkonflikt mit der DDR 131 Dabei war es wie Thomas Mann schon im Mai 1945 formuliert hatte schlechterdings unmöglich »eine Million Menschen hinzurichten ohne die Methoden der Nazis nachzunahmen Es sind aber rund eine Million die ausgemerzt werden müssten « 132 Beim Alten geblieben war anscheinend vieles auch in der Erziehung in den Familien ebenso wie im Bildungssystem Schule Ausbildung und Universität trugen weiter obrigkeitsund klassenstaatliche Züge sie waren autoritärer und weniger demokratisch verfasst als die junge Republik und befanden sich im Stadium vor der Bildungsexpansion der Sechzigerund Siebzigerjahre 133 Noch schienen althergebrachte Strukturen und autoritäre Traditionen unerschütterlich Vielfach wurde geprügelt sowohl in der Familie als auch in der Schule »Gehorchen galt als Tugend« lautet eine typische Erinnerung an die Schulzeit in den Fünfzigerjahren »vor allem die Turnlehrer taten noch immer so als hätten sie ein HJ-Fähnlein vor sich« 134 Für Kinder und Jugendliche war das Jahrzehnt daher besonders schwer 135 »Einer großen gesellschaftlichen Wende zur parlamentarischen Demokratie stand kein gleichgeartetes Familienverhalten gegenüber« erläuterte die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann 136 In die-129 G Schwan Mitläufer 2001 H Lübbe Parteigenossen 2007 A Borgstedt Entnazifizierung 2009 130 A Schildt Sozialgeschichte 2007 S 94 f 131 R Giordano Die zweite Schuld 1987 S 11 »Jede zweite Schuld setzt eine erste voraus hier die Schuld der Deutschen unter Hitler Die zweite Schuld die Verdrängung und Verleugnung der ersten nach 1945 « Diese zweite Schuld habe die politische Kultur der Bundesrepublik für Jahrzehnte belastet und »sich tief eingefressen in den Gesellschaftskörper der zweiten deutschen Demokratie Kern ist das was in diesem Buch der große Frieden mit den Tätern‹ genannt wird ihre kalte Amnestierung durch Bundesgesetze und durch die nahezu restlose soziale politische und wirtschaftliche Eingliederung während der ersten zehn Jahre der neuen Staatsgeschichte « 132 Zitiert nach S Stachorski Fragile Republik 1999 S 45 133 T Gass-Bolm Gymnasium 2005 B Puaca Learning Democracy 2009 134 M Koetzle Kleines Glück 1998 S 17 Eindrucksvoll M Naumann Glück gehabt 2017 S 49 f 135 A Schildt Aufwachsen in den 50er Jahren 1993 I Müller-Münch Die geprügelte Generation 2012 136 I Weber-Kellermann Kindheit der Fünfzigerjahre 1985 S 169