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18 Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit Niemand konnte gleichgültig bleiben der die Viehhalle des alten Düsseldorfer Schlachthofes betrat Äußerlich ein klassischer Industriebau der späten Gründerzeit innen verfallen und verkommen Man sah noch die Fundamente der Pferche für das Schlachtvieh und ihre Tränken Steintröge in die jüdische Bürger ihre Kleinkinder legten Es waren fast 6 000 Bürger aus Düsseldorf und Umgebung keine Volksgenossen sondern jüdische Bürger säuberlich namentlich registriert ganze Familien die sich dort sammeln mussten um am nächsten Tag im frühen Morgengrauen den Marsch zum nahen Güterbahnhof Derendorf anzutreten zur Reise ohne Wiederkehr Fast alle wurden ermordet Die alte Viehhalle beherbergt heute einen Teil unserer Zukunft eine moderne Hochschulbibliothek Auch in Zukunft soll keiner der sie betritt gleichgültig bleiben Man sieht Schilderungen über das was dort geschah und man sieht die beiden alten Steintröge die mehr als Worte allein durch ihre Gegenwart immer noch zeigen dass dort Menschen wie Schlachtvieh behandelt wurden vorsätzlich gewollt bürokratisch organisiert Nicht nur die Deportationslisten mit den Namen dieser Bürger die man im Archiv nachlesen kann sind erhalten geblieben Auch die Akten der Finanzämter sind erhalten aus denen man sehen kann wie sich die Nachbarn das zurückgelassene Hab und Gut unter den Nagel rissen wohlwissend dass es keine Rückkehr geben werde Diese Akten mit den Namen der Nachbarn blieben bis in unsere Tage unter Verschluss Wegen des Steuergeheimnisses Ich sehe noch das Gesicht der älteren Frau vor mir die sich ängstlich zur Seite drückte um nicht mit mir zusammenzustoßen mit dem jungen Pimpf der da plötzlich um die Straßenecke gelaufen kam An ihrem alten grauen Mantel überraschte mich der große gelbe Stern Es war der erste der mir auffiel Was war mit ihr los? Ich sehe immer noch das Gesicht dieser Frau vor mir aber auch die verlegenen Mienen der Erwachsenen die ich danach fragte was es mit dem Stern auf sich habe Offenbar gab es hinter dem offiziellen Pomp dem Getöse und Jubel eine zweite Wirklichkeit Über die sprach man nicht Man kannte sie aber wollte sie nicht kennen damals nicht und später erst recht nicht als alles vorbei und auch der rheinische Sing-Sang im Sportpalast verklungen war Wollt ihr den totalen Krieg? Nun Volk steh auf und Sturm brich los! Man muss doch nach vorn blicken Unsere Generation ist für diese Verbrechen nicht verantwortlich Aber wir sind verantwortlich dafür dass sie nicht vergessen werden damit sie sich nicht wiederholen können nicht hier und sonst Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit den Ihr um Eure Herzen gelegt habt! schrieb im Januar 1943 die Studentin Sophie Scholl im 5 Brief der Weißen Rose Ich bin nicht so sicher ob wir unserer Verantwortung immer gerecht geworden sind Aber ich bin sicher dass die Erinnerung daran erhalten bleiben muss was sich damals ereignet hat auch in Düsseldorf Dr Dr h c Burkhard Hirsch Ehrenbürger der Hochschule Düsseldorf