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Politische Kulturgeschichte eines Romans 15 die von der Bundesregierung bestimmt wird gegen seine Mitmenschen in deren Gegenwart er sich verloren isoliert und an den Rand gedrängt fühlt Nicht zuletzt stemmt er sich gegen sein privates Unglück nach dem Tod seiner Frau Am Ende stürzt sich Keetenheuve in den Rhein Der letzte Satz des Romans lautet »Der Abgeordnete war gänzlich unnütz er war sich selbst eine Last und ein Sprung von dieser Brücke machte ihn frei « 19 In diesem Satz stecken gleich drei literarische Anspielungen in wenigen Worten war Bezug genommen auf Friedrich Schiller Georg Büchner und Erich Kästner 20 Der Germanist Martin Hielscher nannte Keetenheuves Ende daher einen »Zitatsuizid« im »Strom der literarischen Überlieferung« 21 Im Roman beschließt das westdeutsche Parlament die Wiederbewaffnung‹ Damit handelt das Treibhaus von einer konkreten historischen Entscheidungssituation im Kalten Krieg‹ und von einer der größten Streitfragen in der Geschichte der Bundesrepublik als kurz nach dem Zweiten Weltkrieg das Verhältnis von Krieg und Frieden Militär und Pazifismus politisch neu verhandelt wurde 22 Zum Zeitpunkt der Publikation im Herbst 1953 nur Wochen nach der zweiten Bundestagswahl gehörte das Thema unmittelbar zur Tagespolitik Düster prophezeite das Treibhaus dass der Bundestag mit seiner Abstimmung zwar ein Kapitel der Nachkriegszeit abgeschlossen habe zugleich aber das nächste Kapitel aufgeschlagen werde eine neue Vorkriegsgeschichte beginne ein fataler Schritt getan sei auf dem Weg in den Abgrund des Ost-West-Konflikts 19 W Koeppen Werke Band 5 Das Treibhaus 2010 S 184 20 Der letzte Satz des Treibhaus-Romans enthält mehrere literarische Anspielungen Im Wilhelm Tell von Friedrich Schiller versucht die Bäuerin Gertrud ihren lahmen Gatten Stauffacher zum Widerstand gegen den Tyrannen anzufeuern indem sie ihm versichert über ihr Schicksal als Frau brauche er sich keine Sorgen zu machen »Die letzte Wahl steht auch dem Schwächsten offen Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei « F Schiller Sämtliche Werke II 1959 S 927 f Die Keetenheuves Sprung im Treibhaus vorausgehende Einsicht dass das menschliche Dasein eine Last sei stammt aus dem Lenz einer Erzählung von Georg Büchner über die manischdepressive Gemütsverfassung eines Dichters die mit den Worten und der entgegengesetzten Schlussfolgerung endet »Er schien ganz vernünftig sprach mit den Leuten er that Alles wie es die Andern thaten es war aber eine entsetzliche Leere in ihm er fühlte keine Angst mehr kein Verlangen sein Dasein war ihm eine nothwendige Last So lebte er hin « G Büchner Sämtliche Werke Band 1 1968 S 101 Erich Kästners Großstadtsatire über den arbeitsund orientierungslosen Germanisten Fabian im Berlin der frühen Dreißigerjahre schließt mit dem ungeschickten Unfalltod des Protagonisten der bei einem gutgemeinten Rettungsversuch ums Leben kommt »Der kleine Junge schwamm heulend ans Ufer Fabian ertrank Er konnte leider nicht schwimmen « E Kästner Gang vor die Hunde Fabian 2013 1931 S 230 Alle Hervorhebungen B W Zu diesen und weiteren Verweisen M Hielscher Zitierte Moderne 1988 21 M Hielscher Zitierte Moderne 1988 S 127 f 22 N Tönnies Weg zu den Waffen 1957 G Wettig Entmilitarisierung und Wiederbewaffnung 1967 A Baring Außenpolitik 1969 Kv Schubert Wiederbewaffnung und Westintegration 1970 K Hildebrand Integration und Souveränität 1991 A Reinfeldt Kontrolliertes Vertrauen 2015 C Kemper Alles so schön friedlich 2016 Zur Kritik an der Wiederbewaffnung‹ W Kraushaar Hg Protestchronik 4 Bde 1996 M Werner »Ohnemich«-Bewegung 2006