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13 Einleitung eigene Repräsentationen gesellschaftlicher Realität und folgten dabei zum einen sozial wissenschaftlichen Kategorien die auf die Quantifizierung der gesammelten Daten zielten und zum anderen medialen und kommerziellen Logiken Für die zeitgenössische Politik und für die gesellschaftliche Selbstbeobachtung waren sie von starkem Einfluss können jedoch nicht als Abbild der Wählerschaft gelten 9 Demgegenüber nähert sich die vorliegende Studie Wahlbürgerinnen und Wahlbürgern als deutenden und gedeuteten Akteuren im politischen Geschehen Dazu genügt es nicht sie einfach nur sprechen zu lassen etwa durch die Briefe die sie schrieben Vielmehr gilt es die Situationen ihres Sprechens und Angesprochen-Seins umfassend zu rekonstruieren um einschätzen zu können worauf sie reagierten Es geht also darum sie als Teilnehmer im politischen Kommunikationsprozess ernstzunehmen Zentraler Schauplatz der Studie ist die Stadt wo Wähler die Politik beobachteten und mit ihr konfrontiert wurden Sie fragt danach wie sich parlamentarische Politik im urbanen Alltag präsentierte interessiert sich für die Zuschreibungen die Wahlbürger trafen die Angebote zu politischer Kommunikation die sie annehmen oder ausschlagen konnten die Deutungen und Beobachtungen der Medien die sie beeinflussten und schließlich für ihre aktive Teilhabe am politischen Kommunikationsgeschehen Es handelt sich weniger um eine Alltagsgeschichte der Demokratie die den »eigensinnigen« Umgang der Zeitgenossen mit Politik beleuchtet sondern um eine Geschichte der parlamentarischen Demokratie wie sie sich in der urbanen Alltagskommunikation zwischen Wählern und Gewählten zeigte 10 Damit ver steht sich das Buch als ein translokal vergleichender Beitrag zur Politikgeschichte Westeuropas nach 1945 11 9 Zu den Massenmedien als »symbolischer Form« der Massendemokratie vgl B Weisbrod Medien 2001 Zur Problematik zeitgenössischer sozialwissenschaftlicher Daten und Beobachtungen für die Zeitgeschichte vgl R Graf K C Priemel Zeitgeschichte 2011 Meinungsumfragen erfreuen sich als Quellen indes dauerhafter Beliebtheit Siehe etwa M Greiffenhagen Vom Obrig keitsstaat zur Demokratie 1984 E Wolfrum Die geglückte Demokratie 2007 S 59 f 181 K H Jarausch Umkehr 2004 S 62 f 190 f N Frei Vergangenheitspolitik 2012 S 319 A Schildt Annäherungen 2011 S 19 24 26 K Hanshew Terror and Democracy 2012 S 73 Cv Hodenberg Das andere Achtundsechzig 2018 10 Dieser Ansatz ist inspiriert von der Wissenssoziologie Alfred Schütz und seiner Schüler Demnach stellen die sozialen und lebensweltlichen Herausforderungen des Alltags die primäre Rea lität der Zeitgenossen dar während abstrakte Systeme wie Politik Wirtschaft oder Religion hier ausschließlich symbolisch repräsentiert sind und als solche hier kommunikativ hergestellt werden müssen Vgl A Schütz Symbol [1955] 2003 S 169 f 174 P L Berger T Luckmann Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit 2012 25 f 28 f Zu alltagsgeschichtlichen Ansätzen die sich graduell vom hiesigen Ansatz unterscheiden indem sie stärker nach dem »eigensinnigen« Umgang der Zeitgenossen mit einem scheinbar von oben über sie hereinbrechenden Phänomen fragen vgl A Lüdtke Alltagsgeschichte 2003 ders Eigen-Sinn 1993 P Steege u a History of Everyday Life 2008 T Lindenberger Diktatur der Grenzen 1999 11 Vgl K H Jarausch T Lindenberger Contours 2007 S 16