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38 Einleitung Erscheinung dinglich präsentierte sich die Politik in Briefkästen und an Hausmauern 119 Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner traten in der Rolle von Wahlbürgerinnen und Wahlbürgern auf die auf Wahlveranstaltungen gingen oder es unterließen Plakate betrachteten oder abrissen den Wahlkampf zur Kenntnis nahmen oder ihn ostentativ ignorierten Die politische Repräsentationspraxis war bisweilen laut und dreckig in jedem Fall beeinträchtigte sie das lokale Alltagsleben und konnte zum Stadtgespräch werden Diese repräsentative Qualität parlamentarischer Politik die Teilhabe und die Reaktionen des städtischen Publikums stellten in gewisser Hinsicht das Herzstück politischer Kommunikation in den beiden jungen Republiken dar 120 Auf einem zweiten Feld kommt die Konfliktpraxis in den Blick Wie wurden konfligierende Interessen in der lokalen Wahlkampfpraxis abgebildet und verhandelt? Wie fanden Westdeutsche und Italiener zu friedlichen Spielregeln der Konfliktaustragung? Die Gewaltdrohung die politischer Kommunikation inhärent war und die Sehnsucht nach Ruhe und Ordnung bilden einen wichtigen Erzählstrang beider postfaschistischer Demokratien und beeinflussten die Beobachtung von Politik außerordentlich Als lokale Phänomene politischer Alltagskommunikation sind sie jedoch für die hier betrachtete Periode bislang kaum beleuchtet worden 121 Ein drittes Untersuchungsfeld befasst sich mit der Verständigungspraxis zwischen Wählern und parlamentarischer Politik Welche Kommunikationsangebote und Treffpunkte Repräsentationsvorstellungen und Loyalitätsverhältnisse führte sie zusammen oder schufen zwischen ihnen Distanzen? Welche Selbstund Fremdbilder vom Souverän und seinen Vertretern kamen in der politischen Kommunikation zum Ausdruck? Das Buch untersucht dies sowohl in der direkten Interaktion als auch in medialer vornehmlich brieflicher Kommunikation und fragt nach den politischen Legitimationsstrategien die dabei zum Tragen kamen Dabei will es erkunden inwiefern die Konjunkturen politischer Verständigung an bestimmte Konfigurationen von Urbanität gekoppelt waren an kognitive Stadtbilder im Angesicht von Kriegszerstörungen und Wiederaufbau an materiellen Wandel durch moderne Stadtplanung und Massenkonsum an die Veränderung sozialer Netzwerke durch Umzugserscheinungen und Zuwanderungswellen Es versteht sich damit als stadtgeschichtlich informierte Geschichte der parlamentarischen Demokratie forscht aber weniger 119 Ähnlich bereits A Lüdtke Herrschaft 1991 120 Zur repräsentativen Dimension von demokratischer Politik vgl die Überlegungen bei I Brandt Kundgebungsmacht 2004 S 172 Historische Beiträge auf diesem Feld beschränken sich jedoch auf Staatsrepräsentationen Festkultur oder politische Symbole des Kalten Krieges siehe etwa P Betts Ästhetik und Öffentlichkeit 2003 D Geppert »Proclaim Liberty« 2003 T Mergel Staatlichkeit 2004 M Ridolfi Le feste nazionali 2003 G Vecchio Tricolore 1999 Ausnahmen zu Italien bilden S Bertelli Teatro del potere 2000 M Insneghi Alle origini del 18 aprile 1999 121 Deutlich wird das etwa bei N Bulst u a Gewalt im politischen Raum 2008 D Bloxham R Gerwarth Political violence 2011 H -G Haupt Gewalt und Politik 2012 wo die Zeit zwischen 1945 und den 1970er Jahren stets eine Leerstelle bildet Siehe auch Kap II